Inken Weiand
francke
Es ist Oktober. Erntedank. Und Frau Pastor ist schwanger. Zu dumm, dass sie für die Versteigerung Kürbisse stemmt. Denn das könnte der Grund für ihre vorzeitigen Wehen sein. Die wiederum bewirken, dass die Frau Pastor in die Klinik muss. Und das ist gar nicht so praktisch. Denn nach dem Oktober kommt der November. Und dem folgt der Dezember. Und im Dezember ist bekanntlich Advent.
Viel zu spät erst fällt den aktiven Gemeindegliedern auf, welche Lücke das Ausfallen der Frau Pastor reißt. Mit hektischer Betriebsamkeit wird versucht, das Gemeindeleben am Laufen zu halten. Schon bald fragen sich nicht nur einige, was in diesem Jahr werden soll aus den ganzen vorweihnachtlichen Aktivitäten wie dem Adventsbasar, aus dem vorweihnachtlichen Konzert, aus dem Gemeindebrief, der Altenweihnachtsfeier…
Eine spritzige Erzählung, in der humorvoll das Gemeindeleben aufs Korn genommen wird.
… „Es ist so”, bemerkte Frau Balduin düster. „Demnächst beginnt der Advent und die Frau Pastor wird bis zur Geburt ihres Kindes ausfallen, wenn nicht für immer.” Mit trübsinnigem Blick sah sie vor sich in ihr Glas.
„Woher weißt du das?” Frau Krause sah sie neugierig an.
„Es ist mehr eine Ahnung”, bemerkte Frau Balduin. „Und diese Ahnung sagt mir auch, dass ich wieder die Kindergruppe werde machen müssen. Obwohl ich es, um ehrlich zu sein, gerechter fände, wenn die Mütter sich abwechselten.” Und schon verfiel sie in tiefe Grübeleien darüber, ob ein Verteilermodus nach Zahl der Mütter oder nach Zahl der Kinder die gerechtere Variante wäre.
Chorleiter Heckenschneider schien mit seinem Wein beschäftigt zu sein, doch Herr Kühn aus dem Bass bemerkte, in diesem Fall müsse der diesjährige Adventsbasar wohl oder übel ohne die Frau Pastor vorbereitet werden.
Die Damen Balduin, Maier und Krause starrten ihn entsetzt an. „Soll das heißen”, so fragte Frau Balduin mit bebender Stimme, „dass wir das jetzt alles allein vorbereiten müssen?”
Frau Krause bemerkte fröhlich, so einen Adventsbasar vorzubereiten sei doch keine große Kunst, und Frau Maier fügte hinzu, man müsse die ganze Situation als Herausforderung sehen.
Herr Kühn sah die beiden Damen über seine Brille hinweg an. „Darf ich Ihre Äußerungen so verstehen, dass Sie sich soeben bereiterklärt haben, im Falle des Ausbleibens unserer Frau Pastor den Adventsbasar zu organisieren?” …
Abdruck mit freundlicher Genehmigung des francke-Verlags